Brief
von Werner Nachmann an Hans Filbinger
(Abschrift
aus der Abbildung des Briefs in: Hans Filbinger, Die geschmähte Generation.
Politische Erinnerungen. 3. erweiterte Auflage Esslingen, München
1994, S. 272) |
OBERRAT
DER ISRAELITEN BADENS 75
Karlsruhe 1 (...
Adresse) Sehr
geehrter Herr Ministerpräsident, an
der Diskussion über Ihr Verhalten und Ihre Entscheidungen während des Krieges
will ich mich nicht beteiligen und kein Urteil abgeben; ich war, wie Sie wissen,
nach den damaligen Gesetzen von der Gesellschaft ausgeschlossen. Ich
kann jedoch sehr wohl beurteilen und möchte es auch zum Ausdruck bringen, daß
Sie beim Aufbau der Bundesrepublik Deutschland Hervorragendes geleistet haben.
Sie zählen nach meiner Meinung zu jenen Männern, die ihre ganze Kraft und
Energie für die Verwirklichung des Grundgesetzes eingesetzt haben. Seit
vielen Jahren sind wir freundschaftlich verbunden. Während dieser Zeit konnte
ich mit Ihnen viele Probleme, die mit dem Aufbau unserer von den Nazis
zerschlagenen jüdischen Gemeinden in Baden-Württemberg auftraten, in
vertrauensvoller Zusammenarbeit lösen und viele Sorgen mit Ihnen gemeinsam
beraten. Ihre Hilfsbereitschaft bei dieser Arbeit ist von uns mit Befriedigung
und Dankbarkeit verstanden worden. Wir
sind uns einig, daß die Verantwortung über die schlimmste Periode der
deutschen Geschichte von den demokratischen Parteien unseres Landes gemeinsam
getragen werden muß, und daß - ungeachtet der politischen Standorte -
gemeinsames Ziel bleibt, die freiheitliche Demokratie zu erhalten und zu
festigen. Die
unwürdigen Angriffe in der Weimarer Republik gegen hervorragende Männer wie
Friedrich Ebert, Matthias Erzberger, Walter Rathenau und Gustav Noske haben mit
dazu beigetragen, das damalige Staatsgefüge zu zerstören und damit den Weg für
den Nazimus mit seinen verheerenden Folgen zu öffnen. Diese Erfahrung kann
heute kein verantwortlicher Politiker außer acht lassen. Damit
soll jedoch keineswegs der Geschichtsvorhang zugezogen und den tatsächlichen
Verantwortlichen der Nazizeit ein Freibrief ausgestellt werden. Mit
freundlichen Grüßen
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Im Noth Harald si BRIÄF ÜS ALEMANNIÄ - www.noth.net