Katte. Ein Schauspiel in fünf Aufzügen. 1914

Im Mittelpunkt dieses Werks von Hermann Burte steht Hans Hermann von Katte, der Freund des Kronprinzen Friedrich, der spätere Friedrich der Große. Er ist "der erste Offizier [...], der für Friedrich fällt." Doch er fällt nicht in der Schlacht, sondern auf dem Altar der Staatsraison durch das von König Friedrich-Wilhelm I. veranlasste Todesurteil. Paul Wittko schrieb 1928 über das "Geschichtsdrama Katte":

   Es ist ein Werk von rassigem, reinem, lauterem Deutschgehalt, stolz und streng in der Gesinnung, straff und prall und abgerundet in der Form, von einer Gefühlsbeherrschtheit, deren gedrängte Kargheit für den Reichtum eines großgesinnten Herzens zeugt. Neben dem "Prinzen von Homburg" Kleists, über Paul Ernsts "Preußengeist" ist es das wichtigste Bühnenwerk von der Pflichterfüllung als oberster Mannestugend und Wurzel der Staatskraft. Norddeutsch, preußisch ist die Geheimhaltung, die vernunftbestimmte Mäßigung der Empfindungen, der große Ernst, die Gehaltenheit der Gefühle seiner Gestalten.
   Wieder steht die Staatsidee als regender, tragender Leitgedanke da. Sie ist der eigentliche Held des Dramas. Daneben erhebt sich zum Wettkampfe mit ihr die Freundesidee. So dringt die Dichtung ins Innermenschliche. Burtes Kapitänleutnant von Katte ist ein flattriger, unlenksamer, mit sich sich uneiniger, sich selbst unfaßbarer, geistig lebhaft bewegter Zweifelgeist, den Gottesverneinung und selbstgefällige Eigenliebe nicht zur Entfaltung eines klaren Selbst kommen ließen, für das er aber das Bestimmungsrecht sich allein vorbehalten wissen will. Es fehlt ihm ein großes Erleben. Liebe, aus Eitelkeit und Ruhmsucht mehr denn aus Herzensgefühlen, hält ihn in Spannung. Was die Prinzessin Wilhelmine, Friedrichs Schwester, viele Jahre später in ihren leidenschaftsgroßen "Denkwürdigkeiten" zwischen den Zeilen versteckt, die zarte Neigung zwischen ihr und Katte, glimmt bei Burte unter behutsamem Feingefühl. Sie gibt dem Dichter aber nur Stoff zu reizvollen Beiszenen. Zwischen Vater und Sohn steht Katte, zwischen König und Kronprinz, die, einander im Innersten zugetan im dunkeln Ahnen des Wertes des anderen, zueinander streben, um gegenseitiges Verstehen und Lieben ringen, ohne den Schlüssel zu andern finden zu können. Der eine, fest in der Wirklichkeitswelt verwurzelt, spartanisch harter Vertreter des nüchternen, starren Pflichtprinzips als erster Diener seines Volkes; der andere in der geistigen Welt traumwandelnd. Der König indes sieht nicht, was dem Sohne, sondern nur, was dem Staate not tut, seinem armen, mageren Lande: Männer, nicht Weibergemüter, unnachsichtige Ordnung und eiserne Unterordnung. Grundsatzlose Kunstschwärmer sind ihm unausstehlich, weil unsegenträchtig, zum mindesten dem Lande nutzlos. Dem rechten Lenker eines Staates geht dessen Wohl über alles. Darum ist er nur auf das Nützliche bedacht. Neben sich, dem berufenen Führer, duldet er nicht wolkenwandernde Höhenmenschen. Dieser Herrenmensch gehorcht der Herrenpflicht. Der Staatsgedanke, dem er selbst sein persönliches Glück zum Opfer brachte, würde unter einer Vielheit höchstpersönlicher Charakterköpfe zu kurz kommen.
   Katte gibt beiden recht, der Mannesforderung der Unterwerfung unter den Zwang des schicksalhaft Notwendigen ebenso wie der Jünglingsforderung nach ungezwungenem Ausleben der Neigungen. In harter Schule wird er zum sich selbst entäußernden Lebensflieger, entsagt seines Wesens glitzerndem Schimmer, und der "ein großer, wissentlicher Sünder" war, schreitet würdig und ruhevoll, dem Irdischen abgekehrt, glaubensstark, in heiliger Demut in den Tod, stolz darauf, der erste Offizier zu sein, der für Friedrich fällt, als ein Bauopfer des preußischen Staates, des Reiches, dessen Recht er verletzte durch Förderung von Friedrichs Fahnenfluchtversuch. "Reif sein, heißt: glauben", ist seine letzte Erkenntnis.
   Gewiß hat Professor Richard Petsch recht, als er schon vor Jahren bemängelte, daß zum Schluß Katte als einer dasteht, der vor seinem Tode innerlich schließlich noch sehr viel durchzumachen hat, wofür der Dichter unseren guten Glauben fordert, ohne den Beweis zu bieten. Doch die leichten Lücken in der seelischen Entwicklungsreihe des fünften Aktes schließt der ergriffene Leser oder Hörer kurzer Hand von selbst.
   Nicht der Titelgeber Katte, sondern der König ist die wichtigste Gestalt des Stückes, der grundlegende Baumeister des Preußenstaates und so des Reiches, dem Burte dies großgeartete Denkmal setzte. König Friedrich Wilhelm, von dem Carlyle sagte, daß er wie ein stummer Poet durchs Leben ging, gibt sich, da er im Begriff steht, über Kattes Geschick in sich einig zu werden, selbst mit der von ihm gescholtenen Kunst ab: er malt einen seiner langen Kerle. Ein feiner Zug im Bilde von Vater und Sohn. Katte muß, so entscheidet er, fallen, um der Staatsidee willen.
   Gab die Freundschaft mit Friedrich, dem zwar noch zaumlosen, doch, wenn auch zielunklaren, adlerhaft seine Schwingen regenden Kronprinzen, dem Leutnant von Katte den eigentlichen Sinn des Daseins, so reift angesichts des Todes Kattes der künftige König, im Tiefsten aufgewühlt durch das heroische Sendamt des Freundes, zur Weltgröße des überragenden Staatslenkers. So finden sich nach selbstvernichtendem Kampfe Vater und Sohn, Alter und Jugend zusammen zu gemeinsamem Handeln für die alles Einzelwesen und Einzelwollen unterwerfende Idee des Allgemeinwohls im gefestigten Staate.
   Burte verdeckt und bemäntelt nicht die Schwächen seiner geschichtlichen Gestalten. Friedrich Wilhelm, dieser deutsche Bär, ragt, in seiner Schönheits- und Kulturablehnung, als eherner Erzieher zum Staate in fernste Zukunft hinein. Durch eine Anzahl sinnvoller kleiner Züge werden der König, Katte und die Prinzessin, die still, seelisch groß, weiblich heldenhaft auf das Glück verzichtet, scharf beleuchtet. Indes, der junge Fritz läßt die Kralle des Löwen vermissen. Allzu unkörperlich bleibt er, skizzierter Schattenriß.
   Burte ist in diesem Werke ein leidenschaftsheißer deutscher Zuchtmeister zum sich selbsthinopfernden Vaterlandsdienste, dessen unsere Zeit vor allem anderen bedarf. Er ist auch ein deutscher Sprachmeister voll Saft und Kraft und Gedankenschwere. Er ist endlich ein Charakteristiker von frischherzigem Wahrheitswillen und freier Menschlichkeit. Dieses Drama ist die Bekennerentladung eines hochgerichteten Kunst- und Künstlerwillens, der in den Bahnen Schillers, Kleists und Hebbels einherwuchtet.

Quelle: Auszug aus: Paul Wittko: Hermann Burte. In: Deutsches Volkstum (1928), Heft 7

Nachgeschichte:

Katte war das erfolgreichste Bühnenstück Hermann Burtes. Es wurde von 1914 bis 1945 auf 50 Bühnen aufgeführt, war in Preußen jedoch bis 1918 nicht zugelassen. Obwohl auch im Dritten Reich häufig gespielt, missfiel das Stück Propagandaminister Joseph Goebbels. Nach dem Besuch des Dramas notierte Goebbels am 1. Dezember 1936 in sein Tagebuch: "Abends Deutsches Theater 'Katte' von Burte. Das Stück ist ein Attentat auf die Tränendrüsen. Zu sentimental. [...] Ich lerne Burte kennen. Keine Leuchte. Ein alemannischer Spießer."

Bezugsmöglichkeiten:

Sie können Katte über eine gut bestückte Bibliothek, Ihr Antiquariat oder über

www.findmybook.de - www.antiquario.de - www.amazon.de

ausleihen oder erwerben.