Krist vor Gericht. Drama, 1930 Dieses Werk von Hermann Burte wurde am 27. April 1930 am Stadttheater Basel uraufgeführt. Im folgenden ist die Besprechung der Erstaufführung in der Zeitung "Der Bund", Bern, dokumentiert. -lf. Hermann Burte tritt mit den Evangelisten und ihrem wortmächtigen Übersetzer Luther in Konkurrenz. Nicht mit einem Epos oder einer religiösen Erzählung, sondern mit einem fünfviertelstündigen Drama, das von Gottfried Falkenhausen am Sonntag vormittag im Basler Stadttheater höchst eindrücklich und erfolgreich inszeniert wurde. Zwei schlagende Ideen kennzeichnen die Eigenart und den aktuellen Wert des Stückes: Christus, der Angeklagte, wird vom Gericht nicht öffentlich vernommen, des seltsamen Einflusses wegen, den er auf die Seinen hat und der die Abhörung der Zeugen stören könnte. So wird sein Wesen und Wirken nur indirekt anschaulich durch die Zeugen pro und contra, indes er draußen im Gange wartet und das Leuchten seines Gottgeistes den dunklen Korridor erhellt, daß es beim Oeffnen der Tür jeweilen hereinblitzt wie Sonne. Der andere dramatische Meistergriff: die Namen, Orte, Ergebnisse sind biblisch getreu – die beteiligten Personen, das Gericht, die Zeugen und Zuhörer sind Menschen aus unseren Tagen, gewandet aus einem x-beliebigen Warenhaus: der Prozess geht nach deutschen Verfahren vor unterer Instanz vor sich, mit Staatsanwalt, Oberrichter, Schöffen und einem psychologischen Sachverständigen. Die Anklage lautet auf Landstreicherei, Verstoß gegen das Lebensmittelgesetz und unlauterer Wettbewerb (Hochzeit zu Kana), Eigentumsverletzung (Räumung des Tempels von Händlern und Geldwechslern u. a. m.), auf Kurpfuscherei (Heilung von Kranken), Hausfriedensbruch, Sonntagsentheiligung und einige andere Vergehen, schlimmere nicht genannt. Dieses Spiel mit Zeitlichem und Ewigem – aus Shawscher Ironie herübergeholt ins Schicksalhaft-Tragische – ergreift sehr stark. Wir stehen mit unseren rationalen Begriffen und Maßstäben dem Wunder des Göttlichen trotz Tiefenpsychologie und entwickeltem Sozialgefühl so hilf- und ratlos gegenüber wie alle früheren Epochen, die nicht glauben konnten. Burtes „Krist vor Gericht“ packt gerade auch den kritischen Vernunftmenschen durch die ganz sachliche Art, mit der dieses Problem dargestellt ist. Man sieht nicht die einseitige Verherrlichung des Glaubens- und Jüngererlebnisses, bei dem der Verstand von vorneherein nichts zu suchen hat. Die Vertreter des Staates, der Wissenschaft und des Diesseits sind, in den Hauptgestalten wenigstens, nicht Karrikaturen, sondern ernst zu nehmende Funktionäre eines Systems, das mit dem Normalen rechnet und ihm zu dienen sucht nach gutem Glauben zum allgemeinen Wohl. In dieser festgelegten Tragik, die stets die Welt von neuem entzweien wird und die Sünde wider den Geist fortzeugt, liegt das seelisch erschütternde an dem kurzen, seltsam erlebnisreichen Spiel, das menschliche Einfalt, Verschlagenheit und Bosheit, aber auch die Wunderkräfte des Gemütes, der Hingabe und des Glaubens in bunten, dialogisch kräftig bewegten Szenen vor dem perspektivisch unendlichen Hintergrund des bedeutsamsten religiösen Weltereignisses miteinander ringen läßt. Die verdienstliche Aufführung und der Dichter wurden mit warmem Beifall geehrt. Wir möchten wünschen, daß wir Berner den „Krist vor Gericht“ auch in unserem Stadttheater sehen könnten. Quelle: "Der Markgräfler", Lörrach, 4. Mai 1930 Nachgeschichte: Das Stück wurde im September 1934 von Reichspropagandaminister Joseph Goebbels verboten, angeblich, weil die katholische Bevölkerung an der Saar nicht brüskiert werden sollte, wo die Abstimmung über die Rückführung des Saargebiets ins Reich anstand. Doch das Stück - sowohl seine Aufführung als auch der Vertrieb des Textes - blieb auch nach der Saarabstimmung verboten. Bezugsmöglichkeiten: Das Buch erlebte nur eine Auflage 1930. Sie können Krist vor Gericht über eine gut bestückte Bibliothek, Ihr Antiquariat oder über www.findmybook.de - www.antiquario.de - www.amazon.de ausleihen oder erwerben. |