Hermann Burte:

Wiltfeber, der ewige Deutsche. Die Geschichte eines Heimatsuchers.

1912 - 2012

Besprechungen aus dem Jahre 1912

2. Teil (1. Teil siehe hier)

Mannheimer Tageblatt, 26. April 1912

  (...) Ein markerschütternder Sammelruf im sinnlosen Gewühl unserer Literaturnot! (...) Ich kenne kein Buch, das dem Wiltfeber in diesem gleichkommt: Von den allermodernsten Gedankenstoffen her den Weg zu finden durch den Volksgenius und Wort und Sinn emporzuläutern zu klassisch-symbolischer Reinheit, Zeit- und Menschensymbol zu sein, ohne ein Gran von bild-kräftiger Anschaulichkeit zu verlieren. (...) Am Wiltfebers Sätzen klebt nicht der Schweiß des Arbeiters, sondern das Blut des Offenbarers, des Dichters. Das Buch ist revolutionär, aber revolutionär mit dem Segen des Evangeliums. 
  Der Buchkritiker, der ausspäht nach den Zeichen der Zeit, frohlockt, wenn er endlich einmal sagen kann zu seinen Lesern: Dies Buch muß gekannt werden - hier ist etwas vollkommen Gutes, Wahres und Schönes! Und es ist ein deutsches Buch, denn es triumphiert die Kraft des Geistes über die Schönheit der Form. (...)
                                                               [Auszug aus einem umfangreicheren Artikel]

Karlsruher Zeitung, 8. Mai 1912

  (...) Das Buch ist reich an Gedanken, Bildern und Naturschilderungen, in seiner Kritik aber wohl vielfach zuweitgehend, ohne daß man die Dichtung widerspruchslos hinnehmen wird. Die Sprache Burtes ist von tiefer Kraft, anschaulich und in ihrer prägnanten Darstellungsweise recht wirkungsvoll. (...)
                                                                               [Auszug aus einer kurzen Notitz]

Leipziger Zeitung, 9. Mai 1912

  (...) übt der Verfasser eine höchst abfällige Kritik an den deutschen Verhältnissen in Staat, Kirche und Gesellschaft. Auffallend ist dabei eine gewisse Neigung des Verfassers, seine Figuren im Bade und in anderen heiklen Situationen darzustellen (...) Zwar fehlt es dem Buche nicht an einzelnen poetischen Schönheiten, namentlich ergreifenden Naturschilderungen, doch wird der Eindruck des Ganzen gestört durch die zutage tretende Originalitätssucht und Sensationsbegierde.
                                                                             [Auszug aus einem kurzen Artikel]

Schlesische Zeitung, 27. September 1912

  [Die Geschichte eines Heimatsuchers, "Wiltfeber, der ewige Deutsche", verleugnet nicht] einen gewissen doktrinären Zug. (...) Eine unbändige Sprachneuerungssucht und die Auflehnung gegen soziale und kirchliche, politische und künstlerische Zustände der Gegenwart sind die charakteristischen Merkmale auch dieses Erkenntnis- und Bekenntnisromanes, der wahrlich keine Sofalektüre ist. Der Stil ist knorrig, durchsetzt mit gewalttätig geformten, auch mundartlichen und schwer verständlichen Wörtern und wunderlichen Redebildern. Dazu reichlich Refelxion, Kritik und Programmdispute mit einem reichlichen Schuß Nietzscheschen Pessimismus. Doch legt man auch widerwillig das Buch beiseite, - man nimmt es doch von neuem vor und arbeitet sich schließlich bis ans Ende durch. 
  (...) Zu rühmen ist die Tendenz des Buches, soweit sie sich in der tiefen Liebe zum Vaterlande und einer vornehmen Lebensauffassung bekundet. Die Art, wie sie sich äußert, mag im einzelnen zu beanstanden sein; immer aber ist die Ehrlichkeit der Empfindung und selbst in dem Verfehlten eine reiche dichterische Begabung zu erkennen.
                                                                     [Auszug aus einer kurzen Besprechung]

Neue Freie Presse, Wien, 6. Oktober 1912

  (...) Einen "prachtvollen Kerl" möchte man diesen Dichter heißen, der so tief das echte Deutschtum begreift und dessen Leiden und Schwächen so tapfer offenbart. Aber könnte man ihn nicht geradeso gut eine "verrückte Schraube" nennen, wenn man sieht, wie er in allerhand Rassenmystik und symbolistische Abstraktionen eingesponnen ist und oft den schaffensfrohen Alltag nicht sieht neben den von ihm selbst heraufbeschworenen trüben Nachtgespenstern? (...) Aber diese Kraft des höchstgespannten Wünschens und Forderns, sowenig sie mit der nüchteren Wirklichkeit jemals übereinstimmen kann, ist sie nicht dennoch prachtvoll und beneidenswert, ist sie nicht vor allem echt-jugendlich, also ehrwürdig? Wie schön, daß in deutschen Landen noch diese Forderung nach absoluter Wahrheit, Reinheit und Echtheit furchtlos aufgestellt und mit heiligem Ernst verfochten werden kann. Es zeigt, daß noch unerschöpfbare Vorräte an gesunder, gärender Volkskraft, die sich betätigen will, vorhanden sind und daß noch lange nicht aller Tage Abend ist. Ein Volk, das noch nicht verlernt hat, das Unmögliche zu fordern, wird gewißlich noch mehr vollbringen, als manchem heut für möglich gilt. Und ein junger Dichter, der sich zum Stimmführer solcher Wünsche und schlummernden Triebkräfte aufwirft, hat sicherlich Zukunft, wird sich abschleifen und klären und der Zeit ein Fanal anzünden. (...) Was für Schrullen und Schwächen auch dieses Erstlingswerk haben mag, es zeigt doch auf jeder Seite die Löwenklaue. Zunächst ist es in einem Deutsch geschrieben, so voller Bodenkraft, daß ihm jederlei Fremdwort überflüssig ist. Dafür strömt ihm aus mundartlichen Quellen manch neue und frische Wortbildung zu, die morgendlich aufglitzert. (...)
                                                                        [Auszug aus einem Artikel von F. S-s.]
                                                                   [Zur Geschichte der Neuen Freien Presse]

Magdeburgische Zeitung, 4. November 1912.

Christus - Antichrist
  (...) Wie der Untertitel zeigt, hat der Roman auch noch eine deutschnationale Tendenz: Er sucht im Sinne des Wortes: An deutschem Wesen wird noch "einmal die Welt genesen", der Lehre des "reinen Krist", wie der Held seine Auffassung von der Christusgestalt nennt, einen arisch-gemanischen Einschlag zu geben. Anklänge an die Auffassungen Gobineaus und Chamberlains finden sich hier vor. (...) [Trotz vieler Fehler im einzelnen und ganzen] ist Hermann Burtes literarischer Versuch, die Christusgestalt in neuem Licht zu zeigen, sehr interessant.
  Der Autor versucht nämlich durch seinen Roman eine Zusammenfassung, eine Synthese der Individualitäten Christus und Nietzsche, Christ-Antchrist zu ermöglichen. Diese Synthese ist wohl theoretisch und dichterisch möglich, aber des Dichters Erkennen und künstlerisches Können reichen dazu nicht aus. Sein Held Wiltfeber verwässert die beiden polar verschiedenen Individualitäten und erschafft und konstruiert so seinen "reinen Krist".
  Dieser rein geistige Inhalt des Romans wird später fallen gelassen. Der Held zeigt sich als simpler Sozialreformer bekannten Durchschnittsstiles, als Utopist unbewußt roter Farbe. Damit wird sein Ideal des "reinen Krist" das Ideal der breiten sozialistischen Masse. Christus in Urgestalt war gewiß reine Jenseiternatur, aber diese beruht auf einer geradezu genialen Erkenntnis der diesseitigen Realitäten. Wiltfeber aber zeigt sich bar jeder Wirklichkeitserkenntnis und verwirtschaftet sein Gut mit einem sozialistischen Alltagsversuch. Ist damit sein "reiner Krist" schon auf das Niveau der bekannten sozialdemokratischen Christusauffassung hinabgesunken, so sinkt der Prophet des "reinen Krist" am Ende des Romans noch tiefer. 
  (...) So endet der Roman in der ästhetisch abstoßenden Szene des Todes der Liebenden durch Blitz im Moment der erotischen Ekstase. Eine ethische Rechtfertigung dieses kühnen Schlusses wäre nur dadurch möglich gewesen, daß der Dichter den Blitz als Symbol gedeutet hätte, das die Rache der Idee an dem "Kristussucher" Wiltfeber dafür darstellt, daß er, seinem höchsten Ideal untreu werdend, sich von der himmlischen zur irdischen Liebe wendet.
  (...) Christus, mit dem Hermann Burte Nietzsche im Feuer seines Geistes verschweißen will, wir haben auch von ihm ein Zeugnis, wie er über Jünger denkt, die so vom Weltsinn umfangen sind, wie dieser Prediger des "reinen Krist"; er sagte zu Petrus: "Geh' mir aus den Augen, Satan, denn Du denkst nicht, was Gott ansteht, sondern was den Menschen." (...)
                                     [Auszug aus einem umfangreicheren Artikel von Dr. H. Trabert]

Nordwestdeutsche Morgenzeitung, Oldenburg, 24. November 1912

[Wiltfeber nicht antisemitisch]
  Soeben geht durch die Blätter die Nachricht, daß der zur Förderung ringender Talente gegründete Verein Kleist-Stiftung seine erste Preisverteilung durch Richard Dehmel vorgenommen hat. Die Preisgekrönten sich Hermann Burte und Reinhard Sorge. (...) 
  Es ist eine Seltenheit, daß ein deutschvölkischer Dichter eine solche Auszeichnung erhält, und man kann sich nicht genug darüber freuen; denn in unserer so sehr beschränkten Zeit läuft man lieber, beispielsweise in Berlin und Hamburg, um sich "Die lustigen Nibelungen" von einem gewissen Rideamus anzusehen, als sich in Werken wie Fahrenkoogs "Baldur" und Lienhards "Wieland, der Schmied" an wahrhaft deutscher Kunst zu erfreuen. (...)
  Es ist nicht Rassendünkel, wenn wir uns gegen derartigen Schund verwahren, sondern im Gegenteil Rassenachtung. Ein Rassenjude würde niemals "Die lustigen Nibelungen" schreiben können, da er weiß, daß Rassenachtung nicht in der Nichtachtung anderer Rassen besteht. 
Diese kurze Ablenkung war nötig, um zu zeigen, daß die heutigen Deutsch-Völkischen nicht identisch sind mit den Antisemiten. Hermann Burtes "Wiltfeber" zeigt, daß nicht durchaus die Juden die deutsche Sache hemmen.
  (...) Man lese das Buch! Es wird jedem Deutschen die Augen über Deutsches und Undeutsches öffnen. Er wird dann das Leben mit offenen Augen betrachten und - deutsch zu handeln versuchen, wenn noch ein letzter Funke deutschen Blutes und deutschen Geistes in ihm ist. (...)
                                                     [Auszug aus einem Artikel von H. Diers, Oldenburg]

Breisgauer Zeitung, Freiburg, 2. Januar 1913

[Siegfried aus Alemannenstamm]
  Das zur Neige gehende Jahr hat Deutschland ein Buch geschenkt, das wie eine Kriegsfanfare in die kriegerische Zeit hineinklingt: den "Wiltfeber" Hermann Burtes. 
Daß dies Buch aus unserem Alemannenland stammt, sollte es uns umso lesenswerter machen. Sein Dichter ist ein junger Maler aus Hebels lieblichem Heimattal. Er hüllt sich in bescheiden-stolze Namenlosigkeit, seine Geistestat geht ihm, wie er schon in seinem Sonettenkranz "Patricia" kundgab, über seinen Ruhm. So muß auch der Zeitungsschreiber das Geheimnis ehrfurchtsvoll wahren. Der Name wird aber nicht lange mehr geheim bleiben, es ist der Name eines - großen Dichters! Liebe, Haß und Neid werden ihn aufspüren. 
  Denn dies Buch ist kein Buch für alle. Es wird geliebt und gehaßt werden. Es ist ein Weg, ein Ziel; kein Roman zum Einmallesen, sondern ein Erlebnis, wie es Nietzsches Zarathustra war. (...) 
  Hermann Burte, der Künstler und Dichter, er will in diesem Buch weniger fabulieren, weniger das Herz in Künstlerträume einlullen, als vielmehr den Geist des Deutschtums aufrütteln; alles was noch adelig ist in deutschen Landen, adelig von Geburt oder adelig durch Geist, alle "Geistigen" Deutschen ruft Wilfeber auf zum Kampf gegen Unfreiheit von oben, aber noch mehr eigentlich gegen Unfreiheit von unten! Der Fürst wie das echte Volk sind durch falschen Rat an die gleichmacherischen Masseninstinkte verkauft. Das ist die "soziale Frage" des Buchs. Und merkwürdig, Wiltfebers Antwort darauf deckt sich in der Sache mit der Nietzsches (...). 
Die politische Frage aber, die Frage der Weltbedeutung des Deutschtums ist vielfach, und nie ohne herbe Peitschenhiebe auf die "Mischlingsrasse", die wir Deutschen, gegenüber den rassebewußteren Engländern, im Ganzen sind, erörtert. Auch da schallt es mit bewegenden Mahntönen an das hörende Ohr. (...) 
  Der "ewige Deutsche" (wie der "ewige Jude" durch alle Lande heimatlos nach der Heimat suchend) er ist das nationale und völkische Gewissen Deutschlands. Ein besseres Buch konnte in dieser entscheidungsreichen Stunde uns nicht beschert werden! (...)
  Ja, die Sprache dieses Dichters! (...) Sie malt und modelliert und verrät deutlich, daß Burte auch ein bedeutender Bildkünstler sein muß. Und sie wirkt doch überall so naturgegeben, so ungezwungen! Ueberall strömt es wie Erdgeruch der Heimatscholle aus ihr, und gleich frischen Tauperlen glitzern da und dort tausende von mundartlich echten Worten aus ihr. Denn dieser Dichter bereichert unsere Schriftsprache (noch viel mehr als die Schweizer Alemannen Gotthelf und G. Keller vor ihm) mit heimischem, mundartlichem Sprachgut. Wie jungfrische, erquickliche Bergbächlein strömen diese Wortbildungen ins alte Strombett unserer Sprache. (...)
  Wir aber, ein Häuflein alemannisch Stammhafter, wir grüßen dich, du Siegfried aus Alemannenstamm! Uns bist du ein Wegweiser! (...)
                                                       [Auszug aus einem Artikel von Dr. E. Th. A. Murr]