Schreib-!Empfehlungen

 für das Alemannische im Breisgau

Kompromissschreibung

 Wenn ein längerer Breisgauer Dialekt-Text für ungeschulte Leser leicht lesbar sein soll, muss das hochdeutsche Schriftbild nachgeahmt werden. Andererseits wäre es schön, wenn die wirkliche Dialektaussprache durchscheinen würde. Um von beidem etwas zu erreichen, müssen Kompromisse gemacht werden. 

Ich empfehle für den Breisgau: 

Mitlaute (Konsonanten):

- Am Wortanfang die Mitlaute schreiben, wie man sie spricht. Beispiel: Dag, Grueg, Bfaar (Pfarrer) usw., Tee, Kischte, Pescht. Ausnahme: schd und schb können am Silbenanfang st und sp geschrieben werden, sie werden sowieso von jedem Süddeutschen als schd und schb ausgesprochen, also: Stäcke, Spiil, Bsteck, gstande, vrstoh, Spiilstroß, Kunscht-Üsstellig usw.

- Im Innern und am Ende des Wortes die Mitlaute (Konsonanten) wie im Hochdeutschen schreiben. Drotte, Späck, dappe. (P, t und k sind hier immer als b, d und g auszusprechen; ein eingeborener Südwestdeutscher macht dies automatisch.) Ausnahme: st und sp  im Innern und am Ende als scht, schp schreiben: Babscht, Kischte, Wäschp, Kaschper usw.  

Einfache Selbstlaute (Vokale):

Besonders im westlichen Breisgau: 

- Das (typisch kaiserstühlerische, elsässisch klingende) helle a (auch "überoffenes e" genannt) als ä schreiben: Näbel (Nebel), Kälbli, Späck, Käs, Wätter, Räbbärg.

- Das ä, das wie in hochdeutsch Käse oder Bächlein oder im französischen frère ausgesprochen wird, dagegen als e schreiben: Lehrer, derfe, mechte usw. Daher auch nej, frej, gheje (neu, frei, fallen) - diese e liest man wie hochdeutsch ä. Wer es kennzeichnen will, kann es è schreiben (wie französisch frère): Lèhrer, nèj usw.

- Das dunkle a als a schreiben: Nabel (Nabel), Kalb, Bach, agnagt, Kapälle, Badebärg  

Besonders im Freiburger Raum und im östlichen Breisgau:

- Den Laut, den man als ä, e oder a hört, auch so schreiben.

- Der e-Auslaut der Breisgauer Dialektwörter ist fast nie ein klares e, sondern ein abgeschwächter Vokal (Reduktionsvokal), der zwischen e und a liegt. Dieser unbetonte Vokal kann auch alleine stehen. Schreibempfehlung: e Balle, e Schälle, inere Schachtle (in einer Schachtel), ufe (auf ihn), dr hete (er hat ihn), uf e Stäge (auf eine Treppe). Auch möglich, aber optisch provokativ: ä Ballä, inärä Schachtlä usw.

- Die angehängten Personalpronomen (persönliche Fürwörter) können zusammen, getrennt oder mit Bindestrich verbunden werden: inere Schachtle/in ere Schachtle/in-ere Schachtle, ufene/uf ene/uf-ene (auf ihnen), zue-n-ene (zu ihnen), hesch-is (hast du uns), gang-i (gehe ich), siihsch-e (siehst du ihn) usw. 

- Es gibt zwei verschiedene i, ein spitzes wie in Zit, Lit, giggele, Wii, sii usw. und ein stumpfes, e-haftes wie in hit (heute), git (gibt), Viih (Vieh), liist (liest). Zumindest bei nit (nichts) und nit (nicht) lohnt es sich, in der Schrift zu unterscheiden. Vorschlag: nyt (nichts), nit (nicht).

Im Dialekt darf ie nicht als Zeichen für langes (gedehntes) i verwendet werden. Das hochdeutsche ie wird, wo es im Dialekt gedehnter Einlaut ist, als ii geschrieben: viil (viele), driibe (getrieben), Spiil (Spiel), Viih (Vieh) usw. Das machen fast alle erfahrenen Dialektschreiber so.

Zwielaute:

- Das ie darf jedoch als Zeichen für den Zwielaut iä verwendet werden, in der Schweiz und im Markgräflerland ist dies auch üblich. Ich empfehle aber im mancherorts ziemlich verhochdeutschten Breisgau iä, um falsches Lesen auszuschließen: Spgel (Spiegel), lb (lieb), df (tief), Grse (Kirschen) usw.

- Gleichlautend, aber von anderer Herkunft ist iä in ftere (füttern), mße (müssen), Sthl (Stühle), Gfhl (Gefühl), Fß (Füße) usw. Auch möglich: Spgel, mße usw.

- Ein weiterer Zwielaut des Breisgauer Alemannischen: ue (Bluem, Schueh, due), er kann auch uä geschrieben werden (Blm usw.), je nach örtlicher Aussprache auch öe, üe (Blöem usw.)

- ei und ai wird im Breisgau gleich ausgesprochen. Das a in ai klingt hell, auch im Westen, der sonst das dunkle a (Bad, Kalb usw.) hat. Beim Schreiben die Nähe zum hochdeutschen Schriftbild suchen: Daifi (Taufe), sait (sagt), drait (trägt), aber Hei (Heu), Freid (Freude), dr weißt (er weiß) usw. 

Der Laut au in Frau, Baum, laufen usw. muss von au in Bau, Sau, Tausend usw. unterschieden werden, wo er auch im Dialekt unterschieden wird. Empfehlung: Fr, Bm, lfe, aber Boi, Soi, Doisert usw. (Das in Bm wird übrigens ausgesprochen wie das hochdeutsche äu.) Der Gegensatz äußert sich in manchen Ortschaften auch anders als aü - oi, z. B. in Schelingen: Fráu - Bàú (das sind zwei unterschiedliche au, keines mit dem hochdeutschen au gleich).  Ob und wie eine so feine Unterscheidung wie in Schelingen geschrieben werden soll, muss vor Ort entschieden werden. 

Dehnung:

- Die hochdeutschen Zwielaute durch Doppelbuchstaben (Doppelvokal) nachmachen, wo sie dem Dialekt nicht widersprechen: Haus - Hüüs, Läuse - Liis, Eis - Iis, teuer - diir. Aber kein Doppelvokal in Zit, Lit, hit, Hüt (Zeit, Leute, heute, Haut). Denn diese Letzteren werden im Dialekt kurz ausgesprochen.

- Dehnung durch h oder Doppelvokal nachmachen, wo es dem Dialekt nicht widerspricht, also Bahn (Bahn), Droht (Draht), stoht (steht), Viih (Vieh), friäh (früh), Schueh (Schuh), Ool (Aal), Baar (Paar) usw. Nicht mit h dehnen: Ramme (Rahmen), zelle (zählen), nämme (nehmen) usw. 

- Die Dehnung eines Vokals vor einem einfachen Mitlaut (Konsonant) ist im Hochdeutschen nicht angezeigt (schön, malen, Tag, Bar usw. - eigentlich schöön, Taag usw. gesprochen). Auch im Alemannischen reichte es m.E. schen, mole, Dag, Bar usw. zu schreiben. Scheen, moole usw. wäre aber nicht falsch. Einsilbige Wörter, besonders wenn sie auf gedehnten Vokal enden, kriegen mehr Gewicht und sind vielleicht leichter verständlich, wenn der Vokal doppelt geschriieben wird: sii, loo, haa, ghaa, zwee, leen usw.; nach der Regel würde aber si, lo, ha, len usw. reichen.

Schärfung:

- Schärfung durch tt, ss, ff usw. nachmachen, wo es dem Dialekt nicht widerspricht: schälle (schellen), kumme (kommen), Bfäffer (Pfeffer) usw., nicht aber Zetel (Zettel), Bfar (Pfarrer), glätere (klettern), grobsle (krabbeln) usw., in Ortschaften, wo diese gedehnt gesprochen werden; wer ganz sicher gehen will, schreibt Zeetel, Pfaar usw.

- Wörter, die im Dialekt entgegen dem Hochdeutschen kurz sind, sollte man schärfen: Dille (Diele, Brett), Grott (Kröte), Grabb (Rabe), Bott (Bote), tte (beten)  usw.

- Auch bei Zit, Lit, hit, Hüt (siehe oben) und eber (jemand), ebis (etwas) wäre eine Schärfung nicht falsch: Zitt, ebber usw. Wer diese sehr häufigen Wörter so schreiben will, tue es. Genauso ist es bei mr hän, wän, gän (wir haben, wollen, geben), hier wäre auch hänn, wänn, gänn möglich. Siehe aber unten Absatz Buchstabenanhäufung.

Apostroph:

Der Apostroph ist ein Auslassungszeichen und sollte nur da eingesetzt werden, wo etwas fehlt. „D’r g’stiiflet’ Kat’r“ erklärt das Hochdeutsche zum Maß aller Dinge, dort heißt es „Der gestiefelte Kater“. Schöner und dem Verständnis kaum abträglich ist „Dr gstiiflet Kater“, noch schöner: „Dr gstiiflet Katzerolli“. 

Buchstabenanhäufung:

Vor Buchstabenanhäufungen ist zu warnen: G’schprääch kann ohne Schaden Gspräch geschrieben werden. „Uff ebbis druff“ liest niemand falsch, wenn es „uf ebis druf“ geschrieben ist. Wortungeheuer durch Bindestrich trennen: s Späck-Bsteck, nicht ‘s Schbäggb’schdegg; G’schwischtrigkindskinder als Gschwischtrig-Kinds-Kinder schreiben. 

Wortherkunft:

Es ist weithin üblich, die Wörter entsprechend ihrer Herkunft zu schreiben, daher dr ka (er kann), aber dr het gha (er hat gehabt). Daher auch gheje (fallen; aus mhd. geheien).

 

„Endinger“ Schreibung 

Der aus Endingen stammende Karl Kurrus hatte eine meist noch näher am hochdeutschen Schriftbild angesiedelte Schreibung: Er schrieb die Mitlaute auch am Wortanfang wie im Hochdeutschen: traime (träumen), Post (Post), Kruag (Krug). Die hochdeutschen e und ä übernahm er genau in den Dialekt: Nebel (Nebel), Speck (Speck), Käs (Käse), Wetter (Wetter), ge (geben). Als dunkles a verwendete er a: Nabel (Nabel), Tag (Tag), Pfad (Pfad). Dieses a setzte er in den Zwielauten jedoch auch als helles a ein: Liabi (Liebe), tiaf (tief), miad (müde), Fuaß (Fuß), dua (tun). Ganz ähnlich so schreibt auch der Endinger Otto Meyer. 

 

Dialekthandbuch und Dieth-Schreibung 

Im ‚Alemannischen Dialekthandbuch vom Kaiserstuhl und seiner Umgebung’ (ADH), wo es um eine annähernd wissenschaftliche, lautgetreue Schreibung ging, verwendete ich eine Abwandlung der in der Schweiz verbreiteten Dieth-Schreibung. Sie ist in der Hauptsache sehr einfach:

* Alle gedehnten Selbstlaute sind doppelt geschrieben, alle kurzen einfach. 

Beispiel: Ein kaiserstühlerischer Satz in Eugen Dieths Schreibung:

E Lèèrer siid e glei Hääsli d Schlidebaan raa räne.

Diese zwei Grundsätze sind auch im Dialekthandbuch verfolgt, aber mit zwei Ergänzungen:

** Für das helle a steht in allen Positionen á.

** Hochdeutsches Dehnungs-h und Schärfungs-nn, -tt, -ff usw. sind übernommen, wo sie nicht stören. 

Beispiel nach dem Dialekthandbuch:

Á Lährer siihd á glái Háásli d Schliddábahn raa ránná.

Das 2006 erscheinende Opfinger Wörterbuch von Jürgen Sutter ist streng nach Eugen Dieth geschrieben.  

Die Dieth-Schreibung im Oberrheinalemannischen

 Ein sehr wesentlicher Unterschied beim Alemannischen in der Schweiz und andererseits in Südbaden und dem Elsass ist, dass das Ansehen des Dialekts bei den Eidgenossen ungleich höher ist. So gut wie alle Deutschschweizer beherrschen einen alemannischen Dialekt gut und sind in der Lage und oft auch bereit, einen Dialekttext zu lesen und zu erfassen. Ein Elsässer dagegen, der in der Schule französisch gelernt und den Dialekt fast ausgetrieben bekommen hat, hat enorme Probleme, Dialekt zu lesen - er versteht den gesprochenen Dialekt schon schwer und er kennt die deutschen Schreibkonventionen nicht - Schueh schreibt sich für ihn chouë oder ähnlich. Auch im Badischen, namentlich in Ballungsgebieten, genießt das Alemannische im Vergleich zur Schweiz wenig Ansehen und wird wenig beherrscht. Von den Medien wird es fast völlig ferngehalten. Es darf daher hier nicht die sichere Dialektkenntnis und die große Bereitschaft angenommen werden, die nötig ist, einen Dialekttext lesen zu können. Eine dem hochdeutschen Schriftbild angenäherte Schreibung ist für solche Leser am leichtesten zu lesen. Zwar kommen dabei feine Nuancen nicht zum Vorschein. Aber wenn erreicht wird, dass der badische Leser überhaupt Dialekt liest, ist schon viel gewonnen.

Die Dieth-Schreibung und Abwandlungen davon eignen sich im Oberrheinalemannischen daher

* weniger für lange Texte, die leicht zu lesen sein sollen
* mehr für kurze Texte
* mehr für populärwissenschaftliche Aufzeichnungen des Dialekts, bei denen es auf Lauttreue ankommt

Für jede Art zu schreiben lassen sich gute Gründe finden. Wichtig für eine ästhetische Wirkung ist, dass die Schreibung halbwegs konsequent durchgeführt wird, also nicht in einem Satz guet, im anderen gt, in dritten guad schreiben. Auch nicht: wie hid het m’r d’r Wie no nie g’schmeggt. Gedehntes i (Wie) und Zwielaut iä (wie, nie) sind hier gleich geschrieben - das darf nicht sein. Gleiches d ist hier inkonsequenterweise einmal d (weich), einmal t (hart) geschrieben). Konsequente Schreibungen wären:

- wie hid hed mr dr Wii no nie gschmeggd (Zwielaut iä als ie und alle Konsonaten weich geschrieben)

- wie hit het mr dr Wii no nie gschmeckt (Zwielaut iä als ie und alle Konsonanten hart geschrieben)

- wiä hid hed mr dr Wii no niä gschmeggd (Zwielaut iä; alle Konsonanten weich)

- wiä hit het mr dr Wii no niä gschmeckt (Zwielaut iä, alle Konsonanten hart)

Diese Empfehlungen dürfen nicht als Aufruf zur Verbissenheit und zur Dipflischisserei verstanden werden. Auch ein geschriebener Text darf und muss leben. Ich selbst weiche von meinen Regeln ab, wenn ich meine, dass der Leser, den ich im Auge habe, ein Wort oder einen Text unbedingt verstehen muss. (Aber: Es muss nicht immer jedes Wort verstanden werden. Ein Text ist auch noch leicht zu verdauen, wenn man nur 90% davon versteht.) 

 Harald Noth

Weitere Schreibempfehlungen für nichtwissenschaftliche Texte:

Adolf Sütterlin: Die alemannische Mundart und ihre Schreibung, in: Adolf Sütterlin (HG.), Hebels Werke, Erster Teil, Berlin 1911

Eugen Dieth: Schwyzertütschi Dialäktschrift, 1938 (2. Auflage bearb. u. hrsg. von Christian Schmid-Cadalbert, Aarau 1986)

Hubert Baum: Grundsätze einer einheitlichen Schreibweise in der alemannischen Literatur, Papier, ohne Ort und Datum

Alemannisch dunkt üs guet, Heft 1/2 1982 (Mitgliederzeitschrift der Muettersproch-Gsellschaft)

Walter Sauer, Rudolf Post: Wie schreibe ich Mundart? Ein Leitfaden für Mundartautoren. Neckarsteinach 2003

Für eine wissenschaftlich genaue Aufzeichnung der Sprache gibt es besondere Lautschriften, die weiter ins Detail gehen als etwa die Dieth- oder die ADH-Schreibung, so z.B. die Teuthonista oder die phonetische Umschrift der Association Phonétique Internationale.