Bundestagswahl am 22. September 2013: Wu s Kritzli mache?

Drei Simmen zur eurokritischen
Alternative für Deutschland (AfD)

Hans-Ulrich Jörges im Stern: Das Rumoren des Eisbergs

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Erzbischof Zollitisch lehnt "Rückkehr in die Nationalstaaten" ab

Beatrix von Storch (AfD): Offener Brief an Erzbischof Zollitsch

Hans-Ulrich Jörges im Stern: Das Rumoren des Eisbergs


Der alte Fahrensmann ist nervös. "Ich habe ein ungutes Gefühl", sagt Manfred Güllner, Chef des Forsa- Instituts und Meinungsforscher für den stern. Bislang war er überzeugt, dass die Alternative für Deutschland (AfD) keine Chance hat bei der Bundestagswahl.
Müde zwei Prozent Zustimmung registrierte er über Wochen für die Anti-Euro-Partei. Das aber hat sich geändert, auf drei, ja sogar über drei Prozent sind die Newcomer geklettert. Und das muss längst noch nicht das Ende sein.
"Die kriegen Zulauf", beobachtet Güllner, vor allem vom rechten Rand der FDP. "Inzwischen habe ich Bammel davor." Vielleicht gelinge es den AfDlern ja doch, "reinzustoßen in den Mittelstand". Denn über die gemessenen Umfragewerte, die bekennenden Wähler hinaus, sei mit einer Dunkelziffer verdeckter Sympathisanten zu rechnen.
Mit anderen Worten: Niemand weiß, wie groß der AfD-Eisberg unterhalb der Wasserlinie ist - und was davon am Ende, bei der Wahl am 22. September, in die Urnen hereinbricht.
Das könnten, meint Güllner, auch mehr als fünf Prozent sein.
Dann aber wäre Feuer auf dem Dach des europäischen Hauses.
Die Euro-Phobiker mit Fraktionsstärke im Deutschen Bundestag, das Rednerpult fortan als ihre propagandistische Plattform, das hätte nicht nur durchschlagende Wirkung auf die Regierungsbildung. Das könnte auch ausstrahlen auf die Euro-Rhetorik der neuen Koali- tion - ja, auf die Debatte in ganz Europa. Die Koalition könnte sich zu einem vorsichtigeren Kurs mit populistischen Tönen veranlasst sehen, was wiederum die Nord-Süd- Spaltung Europas vertiefen würde.
Psychopathologisch nennt Güllner jenen Teil des Mittelstands, der sich von Anti-Euro-Parolen angesprochen fühlt, der am liebsten zurück möchte zu D-Mark und nationalstaatlicher Politik, dem die ganze Richtung der Europäisierung suspekt ist. Der Forsa-Chef erkennt ein "latentes Potenzial von sieben bis acht Prozent zwischen Rechtspopulismus und Rechtsradikalismus". In diesem Potenzial rumore es.
Mag sein, dass dieses Rumoren durch die Öde und Spannungslosigkeit des Wahlkampfs noch verstärkt wird, dass nun auch bürgerliche Querulanten aus purem Protest mit der AfD liebäugeln. Rechtsradikal ist die zweifellos nicht. Organisierte Euro-Skepsis ist nicht weniger legitim und demokratisch als jede andere Partei im Verfassungsbogen.
Seit ihrer Gründung genießt die professoral geprägte Partei, über interne Turbulenzen hinweg, herausgehobenes Interesse konservativer Blätter. Konrad Adam, einer der drei Vorsitzenden, schrieb für "FAZ" und "Welt"; Alexander Gauland aus der Stellvertreterriege hat als bürgerlicher Publizist einen Namen; Hans- Olaf Henkel, Exindustriepräsident und durch Talkshows prominent geworden, hilft der AfD in den Medien.
Die weitverbreitete Ansicht, die Anti-Euro-Partei schade der Union, weil sie deren Wähler ganz besonders anspreche, ist allerdings falsch.
Die AfD holt sich ihre Anhänger aus allen Lagern, in nicht geringerem Maße auch bei der SPD.
"Das wollen wir doch erst mal sehen, wem die AfD am Ende schadet", hat Angela Merkel intern verkündet.
Recht hat sie. Denn die Wirkung der Newcomer auf die Mehrheitsbildung im neuen Bundestag ist vertrackter und spannender als gemeinhin vermutet wird.
Schon wenige Zehntelprozente können darüber entscheiden, ob die AfD zum Verhängnis oder genau umgekehrt zum Segen für Schwarz- Gelb wird. Rückt sie dicht an die Fünfprozenthürde heran, scheitert aber davor, könnte das Union und FDP mit einem erstaunlich schlappen Wahlergebnis zum Sieg tragen.
In den vergangenen Wochen kamen die Splitterparteien - AfD, Piraten und sonstige - auf insgesamt rund elf Prozent, keine über fünf. Bliebe das so, fielen diese Stimmen unter den Tisch - und Schwarz-Gelb könnten schon 44,5 Prozent zur Regierungsbildung reichen. Überspringt die AfD hingegen die Fünfprozenthürde, zieht sie ins Parlament ein, haben Union und FDP kaum eine Chance. Angela Merkel müsste sich wohl um einen anderen Koalitionspartner bemühen. Es gehört nicht viel Fantasie dazu, sich auszumalen, dass dann die Stimmen für eine Große Koalition lauter würden.
Berechenbarkeit und Stabilität stünden im Fokus.
Scheitert die AfD, wäre das auch ein Sieg für den Euro. Triumphiert sie, ginge es um seine Verteidigung.
Ganz so, wie die Partei heißt: Ihr Schicksal entscheidet über die Alternativen für Deutschland.
[Stern, 15.08.2013, Seite 22]

 

Deutsche Wirtschafts Nachrichten:  
Erzbischof Zollitisch lehnt "Rückkehr in die Nationalstaaten" ab

(...) Der Erzbischof von Freiburg und Vorsitzende der Katholischen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, hat in ungewohnt offener Form in den Bundestags-Wahlkampf eingegriffen: Er sagte in einem Interview mit dem Badischen Tagblatt auf die Frage, was denn die wichtigste außenpolitische Aufgabe der neuen Bundesregierung sein werde:

Zollitsch: Das ist die große Aufgabe, Europa weiterzubauen. Denn wir brauchen Europa. Wir sollten jetzt in der Finanzkrise nicht die ganze Schuld nach Brüssel schieben; denn es sind viele Länder, die zu der Krise beigetragen haben. Wir müssen den Ländern, die Hilfe brauchen, wirklich helfen – aber sie auch zur Selbsthilfe verpflichten. Ich sehe auch keine Alternative zum Euro. Denn der zwingt uns, weiter zusammenzukommen. Und ich bin froh, dass die baltischen Staaten sagen: Unsere Zukunft liegt im Euro.

BT: Die Alternative für Deutschland, die die Wiedereinführung der D-Mark fordert, hat nicht Ihren Segen?

Zollitsch: Nein, unsere Zukunft liegt in Europa und nicht in der Rückkehr in die Nationalstaaten. Ich hoffe, dass wir diese Frage auf Dauer überwunden haben, und dass es nur ein paar Nostalgiker sind, die nicht in den Bundestag einziehen werden.

Dies ist ein bemerkenswerter Auftritt: Bisher galt es als Tabu, dass ein Kirchenführer parteipolitische Wahlempfehlungen abgab (...). (...) 

 

Beatrix von Storch (AfD): Offener Brief an Erzbischof Zollitsch

Sehr geehrter Herr Vorsitzender der deutschen Bischofskonferenz,

von Ihnen hätten die deutschen Bürger eine Verteidigung christlicher Werte erwartet. Nun sehen sie mit Erstaunen einen katholischen Bischof, der das Einführen eines Machtstrukturprojektes dem Schutz christlicher Werte vorzieht. Sie warnen vor der Wahl der Alternative für Deutschland (AfD), nicht vor der der Piraten oder der Grünen, die – anders als die AfD – klar unchristliche Werte vertreten.

Herr Erzbischof Zollitsch, was vertritt die AfD, daß Sie so unkontrolliert gegen sie vorgehen? Für die AfD ist z.B. Familie die Keimzelle der Gesellschaft, also Vater, Mutter Kind. Die Piraten werben mit „Vater, Vater, Kind“- und sie wollen – als katholischer Bischof – daß wir scheitern? Sie missbrauchen Ihr Amt, um vor uns zu warnen?

Die Grünen wollen die Homo-Ehe. Und Sie warnen – als katholischer Bischof – nicht vor den Grünen, sondern der AfD? Was ist Ihre Aufgabe?

Die deutsche Verfassung bezieht sich auf Gott. Das dahinterstehende Menschenbild ist ein jüdisch-christliches. Die europäische Verfassung kennt keinen Gott. Das Menschenbild ist ein utilitaristisches, das den Nutzen in den Vordergrund stellt, nicht Werte. Und da sehen Sie – als katholischer Bischof – unsere Zukunft? Wo stehen Sie?

Der Euro spaltet Europa. Er bringt die Bürger und Völker gegeneinander auf. Er schafft von Tag zu Tag mehr Armut und Verzweiflung bei den Menschen. Er macht aus Nachbarn Schuldner und Gläubiger. Das ist, was Sie wollen?

Durch die sog. Euro-Rettungspolitik werden Menschen nicht gerettet. Das Gegenteil ist der Fall. Banken und Spekulanten, die Staaten erpressen und sich auf Kosten der Bürger bereichern, wird geholfen. Den Menschen im Süden geht es jeden Tag schlechter. Dem reden Sie das Wort?

Sie sagen „Unsere Zukunft liegt in Europa und nicht in der Rückkehr zu den Nationalstaaten“. „Rückkehr zu den Nationalstaaten“? Sind die denn schon abgeschafft? Von wem? Die Souveränität zur Abschaffung Deutschlands liegt ausschließlich beim deutschen Volk, nicht bei den Abgeordneten. Die Abgeordneten haben unsere Souveränität nur auf vier Jahre verliehen bekommen. Nach den vier Jahren fällt die Souveränität an den Bürger zurück. Und in der Zwischenzeit kann kein Politiker diese Souveränität an Dritte abgegeben. Das garantiert uns unsere Verfassung. Die AfD steht zu dieser Verfassung. Und Sie warnen vor uns?

Sie nennen uns „ein paar Nostalgiker”, die an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern sollten.

Erzbischof Zollitsch, nur noch ein paar Träumer, aber vor allem die Spekulanten, Bänker, Politiker und Lobbyisten verschließen ihre Augen vor der Realität. Sie nennen uns Nostalgiker? In der Tat: wir sehnen uns nach Anständigkeit, Redlichkeit und Ehrlichkeit gegenüber den Bürgern. Wir wollen, daß die Regierungen sich an die EU-Verfassung halten. Wir wollen nicht mehr, daß Macht vor Recht geht. Wir wollen nicht, daß die Bürger und ganze Völker durch die Verschuldung in die Knechtschaft gebracht werden. Das ist Fakt in Griechenland und Zypern, Portugal und anderen Ländern. Machen Sie die Augen auf, sehen Sie die Realität an.

Sie meinen, wir brauchen den Euro, “denn der (Euro) zwingt uns, weiter zusammenzukommen.“ Der Mammon als identitätsstiftendes Bindeglied für Europa, statt gemeinsamer Werte? Europa ist nicht eine Währungseinheit durch Zwang, sondern eine Wertegemeinschaft in Freiheit, die sich auf der Identität des christlichen Abendlandes begründet. Sehen Sie das anders?

Herr Erzbischof, ist es nicht Ihre Aufgabe, sich für den Schutz christlicher Werte einzusetzen und sich um die Armen und Schwachen zu kümmern, statt sich auf die Seite von Macht und Geld zu schlagen? Bitte stellen Sie unverzüglich klar, daß Sie von den deutschen Bischöfen kein Mandat haben, öffentlich gegen die AfD Stellung zu beziehen. Gerne erwarte ich Ihre Antwort.

Die Bürger sind müde ob der Lügen, des Betruges und des Machtmissbrauches der Politik zu Lasten ihrer Freiheit und ihrer Ersparnisse. Wir, die Alternative für Deutschland, treten am 22. September 2013 dagegen zur Wahl an. Sie wollen, daß wir scheitern?

Erzbischof Zollitsch - wir werden Sie enttäuschen.

Mit freundlichen Grüßen,

Beatrix von Storch