Wolfgang Gedeons Werk „Christlich-europäische Leitkultur“ (2009)

 Von Harald Noth (3. November 2016)

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 Am 20. Juli 2016 nahm ich im baden-württembergischen Mitgliederbasis-Verteiler Dr. Wolfgang Gedeon gegen den Rufmord in den Medien, aber auch gegen den Antisemitismusvorwurf durch Teile der eigenen Partei in Schutz. Meine damalige Argumentation kann hier noch einmal nachvollzogen werden: http://www.noth.net/politik/medialer-rufmord-im-fall-gedeon.htm
Dabei konnte ich nur auf die 432 Seiten seines Buches „Der grüne Kommunismus“ von 2012 zurückgreifen. Die drei Bände seines Werks „Christlich-europäische Leitkultur“ von 2009 mit über 1800 Seiten kannteWolfgang Gedeons "Christlich-europäische Leitkultur", Buchdeckel ich noch nicht. Inzwischen habe ich auch diese große Trilogie Gedeons ganz gelesen. Er hat sie vier Jahre vor Gründung der AfD unter dem Namen W.G. Meister veröffentlicht; auf den drei hinteren Buchdeckeln bekennt er sich gleichwohl zu seiner richtigen Identität.

 Viele in der Partei fragten sich im Sommer, in den Tagen und Wochen nach dem Vorwurf der Medien, ob die Werke tatsächlich antisemitisch seien. Antisemitismus ist ein real existierendes Phänomen, zugleich aber auch ein Kampfbegriff der Medien und Altparteien, mit dem sie versuchen, ihre Gegner fertigzumachen.

 Die Werke Gedeons kennt fast niemand in der AfD und schon gar nicht in der Öffentlichkeit. So stützen sich fast alle auf ein paar Sätze, die vom politischen Gegner in inquisitorischer Absicht aus dem Zusammenhang von weit über 2000 Seiten herausgerissen wurden. Die Methode des deutschen Journalismus, beim Gegner ein paar Worte oder Absätze herauszugreifen, zu skandalieren und so zu versuchen, integre Persönlichkeiten politisch zu vernichten, ist unsäglich. Der heutige Zustand der geistigen Wehrlosigkeit und der Duckmäuserei der Deutschen ist mit so geschaffen worden. Zu den Namen von Querdenkern, die man so politisch vernichtete oder versuchte, zu vernichten, zählen Philipp Jenninger (CDU), Martin Hohmann (CDU) [inzwischen Mitglied der AfD], Eva Herman (bekennende Christin), Thilo Sarrazin (SPD), Björn Höcke und andere mehr. Millionen andere hat man durch solche Exempel eingeschüchtert. Doch ein wachsender Teil des Publikums hat diese Hatz inzwischen satt, das zeigte sich spätestens bei dem Erfolg Sarrazins. Mit dem nötigen Mut kann man inzwischen solche Angriffe abprallen lassen, wenn man sich nicht beugt.

 Im Fall Gedeon wiegen besonders die Antworten von Dr. Marc Jongen schwer. Er ist die parteiinterne Schlüsselfigur der Gedeon-Kritik. Der stellvertretende AfD-Sprecher in Baden-Württemberg bemühte in einem online-Artikel der Jungen Freiheit, später ähnlich auch in der gedruckten Ausgabe vom 24. Juni 2016, ebenfalls Zitate. Er bescheinigte unserem Landtagsabgeordneten aus dem Wahlkreis Singen „den Instinkt eines Großinquisitors“. Er sei „geradezu der Prototyp dessen, was man gemeinhin einen ‚antisemitischen Verschwörungstheoretiker‘ nennt.“ An "zu vielen Stellen " schimmere bei Gedeon "eine unheimliche Nähe zur finstersten Zeit der deutschen Geschichte durch." Deutlicher kann man mit der Nazikeule nicht winken. Eine markige, höchst polemische, uns vom politischen Gegner her nur allzu sehr bekannte Sprache durchzieht den ganzen Artikel von Jongen – gerichtet gegen den eigenen Parteifreund.

 Zu denen, die Gedeon öffentlich verurteilten, gehört auch der Chefredakteur der Jungen Freiheit, Dieter Stein. Auf den JF-Text Jongens berief sich ferner Michael Klonovsky, als er Gedeon bescheinigte, für “seinesgleichen“ habe „der Verfassungsschutz die NPD auserkoren wenn nicht gar mitgeschaffen“. Ein weiterer bedeutender Intellektueller und Publizist aus dem Lager rechts der CDU, Götz Kubitschek, plädierte für mehr Gelassenheit im Umgang mit Gedeon. Doch selbst er gab in einem langen Gespräch mit Jongen in der Sezession 73 (August 2016) zu, er kenne keines von Gedeons Büchern. Er stützte sich auf Jongen, als er in diesem Gespräch gegen Gedeon als "Verschwörungstheoretiker" (ohne das Wort auszusprechen) polemisierte. Haken wir hier einmal ein.

 In der Jungen Freiheit vom 2. September 2016 schreibt der zu Recht sehr angesehene Essayist Thorsten Hinz über Angela Merkel:

„Sie reagiert reaktiv, nachdem sie die Macht- und Kräfteverhältnisse gründlich sondiert hat. Auf der Suche nach ihren Bezugspunkten und Legitimationsquellen stößt man unweigerlich auf internationale Organisationen, globalistische Netzwerke und transatlantische Denkfabriken, die (…) große Migrations- und Flüchtlingsströme aus der Dritten Welt nach Europa umleiten wollen.“

 Diese Einschätzung könnte von Gedeon stammen. Doch anders als Hinz in seiner nebulösen Ausführung nannte Gedeon in seinen Büchern 2012 und besonders 2009 Ross und Reiter. Nach seiner Meinung gibt es eine internationale Geheimpolitik, deren „großes, letztlich satanisches Ideal (…) ein weltweiter Atheismus, eine weltweite Gottlosigkeit“ sei. Es handele sich um einen Welteinheitsstaat mit einer Weltregierung, der da angestrebt würde.

Gedeon beschreibt die Organisationen und Vereinigungen, die nach seiner Meinung hier wirken und nennt ihre Namen. Er beschreibt ihre Methoden, Taktiken, Strategien, ihre Erfolge, Widersprüche und Niederlagen. In diesen Organisationen gäbe es zahlreiche gutmeinende nützliche Idioten, aber eben auch welche, die den Endzustand gezielt anstrebten. „US-Zionismus und EU-Supranationalismus“ seien die „Hauptkräfte innerhalb der Geheimpolitik“.

Dem Wirken dieser Kräfte geht der Autor in Teilen seiner Trilogie nach, kann aber, wie er offen zugibt, keine Beweise für Existenz und Plan der Kräfte bringen, sondern nur Indizien. In seiner Denkweise würde auch dies als Indiz gelten: In Freiburg wird zur Zeit der „Platz der Alten Synagoge“ ausgebaut. Dort entsteht, so meldete die Badische Zeitung am 5. Oktober 2016 eher beiläufig, „Freiburgs neue Mitte“. Gebaut wird dort  gerade ein „symbolischer Brunnen zur Erinnerung an die Synagoge. Sie wurde von den Nazis zerstört.“ Die meisten Zeitgenossen, auch viele AfD-Mitglieder, wagen bei diesem Thema nicht mehr zu denken. Es fällt ihnen nicht mehr auf, dass dann das christliche Freiburger Münster, das die vergangenen 800 Jahre die Mitte Freiburgs gewesen war, symbolisch in Randlage gedrängt wird. Es wird architektonisch, stadtplanerisch eine Zeitenwende vollzogen. In Freiburg wiederholt sich im Kleinen, was im Zentrum der deutschen Hauptstadt mit dem gigantischen Holocaust-Denkmal vorexerziert worden ist.

 Gedeon spricht auch in solchen Fällen von Zionisierung und Zionismus - obwohl, wie er klarmacht, die Akteure in der überwältigenden Mehrheit keine Juden sind. Und die Mehrheit der Juden sind keine Zionisten, das betont Gedeon immer wieder. Er richtet sich niemals gegen Juden als Menschen. Zionismus und Juden müssen nach Gedeon ebenso getrennt werden wie Nationalsozialismus und Deutsche. Er hat ein christliches Menschenbild und das ist völlig unübersehbar für jeden, der auch nur einen Teil seiner über 2000 Seiten zusammenhängend gelesen hat.

 Worum geht es Gedeon? Er hegt keinen Hass gegen Juden, wie Jongen suggeriert, sondern ihn treibt die Sorge um die Deutschen um. Wir stehen vor dem Phänomen, dass die deutschen Eliten die Masseneinwanderung junger, wehrhafter, fortpflanzungsbereiter Männer aus einer feindlichen Religion begrüßen und organisieren. Die Zukunft Deutschlands ist finster, wenn hier kein politisches Wunder geschieht. Kein anderes Volk Europas würde sich das in dem Tempo und Maße gefallen lassen. Warum aber die Deutschen?

Dr. Wolfgang Gedeon sah schon 2012, 2009 und früher den Zustand geistiger Wehrlosigkeit und Lähmung der Deutschen. Er geht in seinem Werk den geistigen und politischen Ursachen dafür nach. Es ist in weiten Teilen Europas zu einer Zurückdrängung des Christentums gekommen. Gedeon sieht den Judaismus, die Religion der Juden nach Christus, als eine entscheidende geistige Gegenkraft gegen das Christentum an. Darunter kann sich heute kaum jemand mehr etwas vorstellen, denn die Kritik am Judaismus ist in den 70 Jahren nach dem Massenmord an den Juden im höchsten Maße tabuisiert worden. Jesus, der Begründer des Christentums, wurde vom jüdischen Hohen Rat wegen Blasphemie zum Tod verurteilt. Die gläubigen Juden halten dies seither für richtig, die scharfe Ablehnung von Christus als Gott lästernder, todeswürdiger Hochstapler ist ein Grundpfeiler ihres religiösen Denkens. Der Glaube an Jesus Christus als Sohn Gottes, der selbst zugleich Mensch und Gott ist, ist aber das Herzstück des Christentums. Gedeon zeigt, wie dieses Herzstück in verschiedenen geistigen Bewegungen bis tief hinein in die Kirchen scheibchenweise relativiert wurde und wird und wie andererseits der Glaube an die Auserwähltheit der Juden als Volk Gottes auf die säkulare, politische Ebene transformiert und zum Zionismus wurde. Mit dem Niederdrücken des Christentums gehe eine Überhöhung des Judentums einher, symbolisch sichtbar etwa mit der gigantischen Holocaust-Gedenkstätte im Zentrum der deutschen Hauptstadt. Das Christentum werde vom Atheismus bedrängt und allmählich von der Holocaust-Religion abgelöst. Die Deutschen seien schuldzerknirscht und handlungsunfähig gemacht. Die Entwicklung in Deutschland sei aber nur ein Teil weltweiter Entwicklungen, wenn auch ein sehr wichtiger.

 Gedeon macht sich in höchstem Maße zur Zielscheibe des Gegners, wenn er Zionismus und Judaismus kritisiert und das Christentum in einer Weise historisch und theologisch erklärt und verteidigt, wie es die dem Zeitgeist verfallen Kirchenführer nicht mehr können und wollen. Er zieht sich den Hass von Politik und Medien, die Verachtung der Christenhasser zu.

 Auch Marc Jongen rasselt mit Blick auf Gedeon martialisch mit der Nazikeule, er weigert sich, „zwischen Antijudaismus, Antizionismus und Antisemitismus einen wesentlichen Unterschied zu machen.“ Damit macht er sich die gängige, politisch korrekte Definition von „Antisemitismus“ zueigen, die auch Werner Patzelt in seinem Gutachten angewandt hat und die „sich nicht nur als sozialwissenschaftlicher Konsens durchgesetzt hat, sondern bis weit ins linke Lager hinein geteilt wird“ (Patzelt). Antijudaismus und Antizionismus wären also nach der von einem großen Teil der Linken akzeptierten, herrschenden Definition Teile des Antisemitismus und Gedeon Antisemit. So einfach ist das.

 Wolfgang Gedeon selbst definierte 2009 so: „Unter Antisemitismus verstehen wir heute eine pauschal feindliche, individuell nicht differenzierende Einstellung gegenüber allen Juden und allem Jüdischen.“

Das Werk Gedeons von 2012 weist einen solchen Antisemitismus nicht auf – das gibt auch Patzelt zu – und seine Trilogie von 2009 ebenfalls nicht. Diese Publikationen brauchen uns von der AfD insofern nicht zu beunruhigen. Aber eine Annäherung an die Wahrheit, wie er sie in seinen Büchern versucht, ist per se beunruhigend und erfordert Mut. Die Darstellung von Zionismus und Judaismus, wie Gedeon sie vorgelegt hat, ist inhaltlich sicher kritisierbar. Das eine oder andere, vielleicht das Ganze mag überspitzt sein. Im Ton mag die eine oder andere Bemerkung gegen den Zionismus oder seine Erscheinungen respektlos wirken – in einem Land, wo die Holocaust-Religion* zur Staatsreligion erhoben ist. Doch Gedeon überschreitet in der Polemik mit seinem Gegner nirgends das Maß, das viele AfDler sich gegenüber Merkel und anderen erlauben.

Gedeons Feinde bringen isolierte Zitate, begnügen sich aber keineswegs damit, was da steht, sondern interpretieren mehr hinein. Sie beachten nicht die Gesamtargumentation des Autors, seine demokratische Lebensführung und christliche Grundhaltung, um einen Satz oder Absatz zu verstehen, sondern machen mit der herrschenden Definition als Zauberstab „Antisemitismus“ daraus und versuchen so, den Autor moralisch auf die Ebene von KZ-Schergen und Nazi-Führern zu drücken. Jeder AfDler kennt das zur Genüge: Der Gegner interpretiert fast bei jedem Schritt, den wir tun, Rassismus, Rechtsradikalismus usw. hinein.

 Auch Wolfgang Gedeon zitiert häufig Autoren, die ihm nahe oder fern stehen. Dabei unterläuft ihm meines Erachtens hin und wieder derselbe methodische Fehler, den seine Feinde zum Teil absichtlich begehen. Er interpretiert die Aussage extensiv oder überschätzt den Autor möglicherweise in seiner Bedeutung. Der Unterschied ist: Die Altparteien und ihre Medien konnten Gedeon mit Unterstellungen und mit der Hilfe aus den Reihen der AfD zeitnah politisch kaltstellen. Gedeon kann niemanden politisch vernichten. Er gefährdet sich mit Zionismuskritik, sei sie überzogen oder nicht, lediglich selbst. Er bietet durch dieses Thema einen zusätzlichen, erheblichen Angriffspunkt.

 Gerade auch maßgebliche, im Rampenlicht stehende Parteifreunde stehen unter ständigem öffentlichem Beschuss wegen ihres Eintretens gegen die islamische Masseneinwanderung, den EU-Moloch, die Beschädigung der Demokratie, die Entwertung der Familie und anderes mehr. Schon hier kommt die Nazikeule ausgiebig zum Einsatz. Nun kommt noch der Vorwurf des Antisemitismus bzw. der Tolerierung des Antisemitismus dazu. Niemand muss sich die betreffenden Ansichten Gedeons zueigen machen. Aber bei den medialen Angriffen auf ihn in Panik zu verfallen und zu versuchen, sich aus der Schusslinie zu bringen, indem man den Angegriffenen aus den Reihen der Fraktion hinausekelt, ja, die Fraktion spaltet**, heißt doch, den Gegner zu ermutigen. Es heißt, ihn Blut lecken lassen und ihn damit zu ermuntern, es immer wieder neu zu versuchen.

 Die oben aufgezählten AfD-Themen - islamische Masseneinwanderung, EU-Moloch, Beschädigung der Demokratie, Entwertung der Familie und weitere mehr - behandelte Gedeon schon vier Jahre vor der Gründung der Partei. Sie machen etliche hundert Seiten seiner Trilogie aus. Er behandelt sie schon 2009 mit einer Ein- und Weitsicht, die jedem AfD-Mitglied Bewunderung abringen muss. Diese drei Bände sind eine grundlegende Gesamtdarstellung von Geschichte, Politik und Religion in Deutschland, Europa und der Welt, vorgenommen aus christlichem Gesichtswinkel, mündend in politische Vorschläge, die inzwischen teilweise AfD-Programm geworden sind. Die Themenbreite ist enorm, siehe dazu das Inhaltsverzeichnis: http://www.wgmeister.de/gedeon-buecher/inhaltsverzeichnis-trilogie/

 Eventuelle Schwächen des Werks sind ein Feld für konstruktive Kritik. Gedeon kann nichts dafür, dass in Deutschland im neuen Jahrtausend und früher schon keine freie Diskussion des Themas Zionismus möglich war, dass Untersuchungen dazu oft nur in wenig bekannten Verlagen publiziert werden konnten, in „seriösen“ Zeitungen ignoriert, denunziert oder nur mit Häme bedacht wurden, kurz: eine offene Diskussion nicht stattfand. Wenn unter solchen Umständen ein mutiger Autor versucht, eine umfassende Alternative zur herrschenden Geschichtsschreibung, Weltanschauung und Politik aufzuzeigen, kann sie nicht fehlerfrei und emotionslos sein. Sein Werk ist aber, bei allen eventuellen Schwächen, grandios gegenüber vielem, was die Universitäten und Medien in dieser Zeit lieferten.

 Gedeon ist der Bote mit der schlechten Nachricht, die fast alle anderen ignorieren, verschweigen oder verdrängen. Selbst wenn dem traumatisierten Boten vielleicht eine kleine oder große Übertreibung unterlaufen ist, darf das für eine Alternative für Deutschland mit Mut zur Wahrheit kein Anlass sein, des Gegners Wunsch zu erfüllen und unseren Abgeordneten als Ketzer auf den Scheiterhaufen zu stellen und politisch zu vernichten. Die Partei muss weiter lernen, die Reihen zu schließen und den Gegner zu parieren.

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*    Selbst Marc Jongen gesteht ein, dass der Begriff „Zivilreligion Holocaust“ schon lange „Teil der wissenschaftlichen, des Antisemitismus völlig unverdächtigen politischen Fachdiskussion“ ist.

** Ob und inwieweit im "Kampf gegen Antisemitismus in der Fraktion" Konkurrenz und Karrierebestrebungen eine Rolle gespielt haben, kann hier nicht diskutiert werden.