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26. Oktober 2023
Die AfD, Israel und Palästina

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    Der blutrünstige Angriffskrieg der Hamas auf Israel und die brachiale Antwort der israelischen Armee auch gegenüber der Zivilbevölkerung zeigen, dass die Wunde in Nahost noch unvermindert weiter blutet. Vor fast genau vier Jahren schrieb ich zum Problem an meine Parteifreunde:
    "In meinem Urlaub auf Kreta habe ich viel an Euch gedacht. Ich las dort das Buch „Denk ich an Palästina". Herausgegeben 2010 von Günter Schenk, kommen hier 26 Autoren zu Wort, darunter etliche Juden. Sie erzählen, wie sie dazu kommen, sich für Palästina bzw. die Palästinenser einzusetzen. Fast alle nichtjüdischen Deutschen unter den Autoren wurden in ihrer Jugend traumatisiert von dem, was sie über die Verfolgung der Juden und die deutsche Schuld lernten. Etwa Anne Köhl outet sich als echtes Schwarzwälder Maidle aus einer sozialdemokratischen Bergmannsfamilie. Die Nacht, in der sie heimlich Fernseh guckte und die Bilder aus Auschwitz sah, war die Nacht, die ihre „Jugend und Kindheit endgültig beendete". Diese Autoren glaubten, aufgrund der deutschen Schuld zur bedingungslosen Solidarität mit Israel verpflichtet zu sein, wobei sie Israel mit den geschundenen und ermordeten Juden im Dritten Reich gleichsetzten und die vielen Juden in Israel und aller Welt ignorierten, die die brachiale israelische Politik gegenüber den Palästinensern kritisch sehen.
    In diesem deutschen Schockzustand befinden sich auch einige der AfD-Spitzenpolitiker und ihre Redenschreiber noch, so, wenn Alexander Gauland anlässlich des 70. Jahrestags der Gründung Israels im Bundestag fast wortgleich mit Merkel „die Existenz Israels zu einem Teil von unserer Staatsraison" erklärte. Noch über Merkel hinausgehend, postulierte der alte Ex-CDU-Recke unsere Verpflichtung, „im Ernstfall einer existenziellen Bedrohung Israels an dessen Seite zu kämpfen und zu sterben". Ein Aufruf „im Ernstfall für Deutschland zu kämpfen und zu sterben" kam meines Wissens noch von niemandem in der AfD.
    Etliche der Autoren des Buches berichten, dass sie aus dieser Schockstarre ausgebrochen sind. Etwa Anne Köhl war zunächst entsetzt, als sie erfuhr, dass ihr Sohn in Ramallah im israelisch besetzten Westjordanland ein Praktikum machen würde. Der Groschen fiel, als er erklärte: „Mutter, deine Opfer sind längst zu Tätern geworden und die Welt schaut genau so zu wie 1933 bis 45, die Welt schaut seit sechzig Jahren zu, wir Deutschen wälzen uns mit abgestumpfter Schuld und Lippenbekenntnissen in vergangenem Elend." Er fährt fort, wir würden „die Gegenwart einseitig und schweigend aus Angst heraus als Antisemit zu gelten" ausblenden.
    Andere Autoren kommen zu ähnlichen Ergebnissen. Wolf Calebow meint, dass es nicht möglich ist, gleichzeitig „unverbrüchlich an der Seite Israels zu stehen, einerlei, welche Art von Politik dieses verfolgt", und „die aus dem Holocaust entwickelbaren politisch-moralischen Prinzipien" einzuhalten.
    Uneingeschränkt auf der Seite Israels zu stehen, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel es tue, darin könne man „so etwas wie Verrat an den aus dem Holocaust gerade in Deutschland zu ziehenden Lehren" sehen.
    Babette Herrenröder schreibt mit Blick auf die Palästinenser: „Jedes Volk hat ein Recht auf Selbstbestimmung". Genau! Das gilt für die Juden in Israel, für die Palästinenser, aber auch für die Deutschen, sage ich. Doch das muss mit Augenmaß verwirklicht werden, dabei darf nicht mehr Schaden als Nutzen produziert werden. Deutschland hat aus der Position der Schwäche heraus auf die Ostgebiete verzichtet und den Frieden bewahrt, es durfte aber als Staat überleben und sich wiedervereinigen. Auch in Israel/Palästina müssen beide Seiten verzichten, die andere leben lassen, wenn es Frieden geben soll, wobei die Palästinenser, weil sie unterlegen sind, seit 70 Jahren und länger nichts als verlieren. Schon 1948 war mit der Gründung Israels die Vertreibung von 750.000 Arabern verbunden. Ein Kompromiss zwischen Israel und den Palästinensern schien Jahrzehnte später mit der anvisierten Zwei-Staaten-Lösung gefunden zu sein, bei der sich die Palästinenser im Westjordanland und im Gaza-Streifen staatlich verwirklichen sollten – in Gebieten also, die Israel seit 1967 besetzt hält. Die anhaltende jüdische Einwanderung und Besiedlung in diesen Gebieten macht dies zunichte, die palästinensisch-arabische Bevölkerung des Westjordanlands ist inzwischen in Bantustans zurückgedrängt, die durch Mauern eingeschlossen sind; die Landkarte sieht aus wie ein Schweizer Käse. Israel ist Atommacht und hat eine der stärksten Armeen der Welt, doch allein die harte militärische Reaktion auf Nadelstiche der Hamas und ihre vielfache Vergeltung können nicht zum Frieden führen.
    Einige der Autoren fallen von der bedingungslosen Unterstützung Israels zur bedingungslosen Unterstützung der Palästinenser, zum Multikulti und zum Kampf gegen „Rassismus" allüberall. Für uns Deutsche leitet sich aus dem Recht auf Selbstbestimmung jedoch auch ab, dass wir bestimmen können, wer sich innerhalb unserer Grenzen niederlassen darf. Es gibt kein Recht der Kurden, Palästinenser, Eritreer und aller anderen, in Deutschland einzuwandern und Parallelgesellschaften zu bilden. Das zu konstatieren ist kein Rassismus.
    Die Radikalisierung arabischer und anderer muslimischer Bevölkerungsteile im Nahen Osten, im Gaza-Streifen und anderswo wird auch in AfD-Kreisen bei manchen als bei den Arabern verbreitete Blutrünstigkeit und als Verblödung und Vertierung durch den Islam angesehen, um es einmal überspitzt zu formulieren. Da ist im vielen Fällen etwas dran, aber die offene Wunde Palästina, die Zerstörung des Irak, Libyens und Syriens durch vor allem amerikanische Intervention, Subversion und Bombardierung sowie die Besetzung Afghanistans werden bei vielen in unseren Kreisen als weitere Ursachen der Radikalisierung ignoriert.
    Ich meine: Der Westen sollte die Moslems in ihren Ländern in Ruhe lassen uns sie uns, indem sie da bleiben, wo sie beheimatet sind. Die AfD ist nicht gut beraten, sich in den Nahostkonflikt einzumischen und auf eine Seite zu schlagen. Wir müssen das als Partei für Deutschland auch gar nicht. In deutschem Interesse ist es, die arabische und muslimische Einwanderung zu beenden. Dazu sind die Kontrolle der Grenzen und die konsequente Abschiebung der Illegalen seit 2015 nötig, vor allem auch die Beendigung der finanziellen Anreize der Einwanderung. Damit im Nahen Osten Frieden einkehrt und der Wanderungsdruck abnimmt, müssen auch die amerikanische und israelische Gewaltpolitik aufhören." (3. 11. 2019)