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10. Oktober 2024
Alemannisch - politisch inkorrekt?

    Viele Alemannen nennen ihre Mädchen, Frauen und Bekannten „das Gretel“, „das Erika“, „das Christel“. Diese Angewohnheit gibt es in der alemannischen Schweiz, im alemannischen Elsass und in Oberbaden (Südbaden) - hier werden Mädchen- und Frauennamen mit sächlichem Artikel (Neutrum) versehen. Im Elsass ist das wohl durchgehend so; in vielen rheinnahen Gemeinden Oberbadens ebenso und es kommt auch in der Schweiz häufig vor; so im alten Basler Dialekt. Am Kaiserstuhl habe ich die Verbreitung dieses Artikels für das Alemannische Dialekthandbuch vom Kaiserstuhl und seiner Umgebung erhoben siehe Karte.
     Aber auch die Frauen untereinander können durchaus sagen: „S Erika het im Gretel im Chrischtel si Gleid brocht.“ „Wurum, het s es dänn nit kenne esälber hole?“ „S het s scho lang nimmi gsähne gha, s het eifach emol welle zuen em.“ Hand auf’s Herz: haben Sie das verstanden? Oder kennen Sie es sogar aus Ihrer Gegend? Dann schreiben Sie es mir doch! Für die anderen jetzt die wörtliche Übersetzung: „Das Erika hat dem Gretel dem Christel sein Kleid gebracht.“ „Warum, konnte es es denn nicht selber holen?“ „Es hat es schon lange nicht mehr gesehen gehabt, es hat einfach mal zu ihm wollen!“
    Zwar kennt man heute 63 Geschlechter, aber dass „äär ihnes s Marii nännt un ääs sich des gfalle losst“ („dass er es das Marie nennt und es sich das gefallen lässt“) - dürfte der Genderlobby nicht gefallen. Vielleicht trauen sich heute deshalb viele gar nicht mehr so zu sprechen und machen auf moderner.
    Ich habe aber schon 1993 im Alemannischen Dialekthandbuch darauf hingewiesen, dass die grammatischen Geschlechter nicht ideologisch gewertet werden dürfen
– es gibt im Deutschen und in anderen Sprachen viele überraschende Abweichungen vom zu erwartenden Geschlecht. So heißt es auch in der Standardsprache immer noch „das Mädchen“ und früher wurde weiter gesagt „es hüpfte vor Freude“. Heute oft: „Sie hüpfte vor Freude!“ „Das Weib“ ist inzwischen aber glaube ich verboten. Ich wurde übrigens schon in den 80er Jahren von einer frauenbewegten Frau darauf hingewiesen, dass es doch eigentlich „der Bombe“ heißen müsste und nicht „die Bombe“, denn Bombe sei ja etwas Böses. Dieses Problem hat sich aber inzwischen gelöst. Gerade in jenen Kreisen gilt heute „die Bombe“ als etwas Gutes und wird mit Milliardenaufwand in ein Kriegsgebiet exportiert.